Anfang des 20. Jahrhunderts sind in Adelsfamilien scharenweise Hausangestellte beschäftigt. Sie putzen das Silber, bügeln die Wäsche und bringen morgens den Tee in die Gemächer. Herrliche Vorstellung! Ich höre das Rascheln der gesteiften Unterröcke und das leise Knarren der Stufen, wenn sie sich wie Geister durch das Haus bewegen. Immer so gut wie unsichtbar und doch stets zu Diensten.
In den bürgerlichen Familien, in denen die Hausfrau selber kocht, gibt es manchmal „Mädchen“, die aushelfen und für die leichten Arbeiten wie Kartoffeln schälen und Gemüse putzen zuständig sind. Wer es sich leisten kann, beschäftigt über das komplette Jahr eine junge Frau und gibt ihr die kleine Kammer neben der Küche.
Für alle Familien gilt in dieser Zeit: das Ansehen der Familie wird durch die Kochkunst gesteigert. Heute gibt es ein paar wenige Familien, in denen dies geliebt und somit weiterhin gelebt wird.
Wer sich keine feste Köchin leisten kann, der ruft nach der Hausköchin. Nach wem? Wie das Wort erahnen lässt; kommt eine Köchin ins Haus oder in die Wohnung oder auf den Hof – heute in die Büros.
Jedes Dorf hat seine eigene Hausköchin. Sie ist die Perle am Herd. Eine die sich auskennt mit Federvieh, Wild und guter Butter. Ihre Kuchen sind die besten und bei allen Feiern hat sie das Küchenzepter fest in der Hand.
Egal, ob der Franz die Ilse heiratet oder Onkel Kurtchen das Zeitliche segnet. Wenn unsern Erna zur Konfirmation geht und selbst wenn das Tantchen wieder den bösen Husten hat: die Hausköchin wird gerufen.
Die Köchinnen vom alten Schlage besitzen Wissen und Ansehen. Keine rupft das Hühnchen so wie sie. Ihre Saucen tropfen den Hochwohlgeborenen gemeinschaftlich vom Kinn. Grandios! rufen die Herrschaften und tätscheln sich den Wanst.
Feinste brunnentiefe Erinnerungen! In meiner Wohnung gibt es noch eine Kammer, so wie früher. Direkt neben der Küche, wo’s Mädchen schläft.
Bei mir „schlafen“ dort die Vorräte! Ich liebe diesen kleinen Ort. Dort mache ich Dieses und Jenes und putze meine silbernen Kostbarkeiten.
Ja, Silber putzen ist für mich eine Tat der Seele. Meist am Sonntag bekommen die kleinen Besitztümer vergangener Zeit neuen Glanz.
In den nächsten Wochen werde ich bei Freunden das Besteck anschauen. „Ach, ich benutze es nie. Es liegt kohlrabenschwarz in der Box im Kleiderschrank.“ Na, das werden wir nun ändern. Zu schade und vor allem warum? wird es nicht genutzt? Gern belebe ich mit meinen Gästen die Geselligkeitskultur neu – ach ein Thema für die nächsten Tage.
Zurück zur Hausköchin. Ich, genau, ich habe in den vergangenen Tagen mehrfach meinen Korb in die Armbeuge gehängt und bin zum Kochen und unter-die-Arme-greifen in anderen Häusern, Wohnungen und Lokalen gewesen.
Hausfrauendienste der besonderen Art. „Ich brauche eine glutenfreie Suppe“ lautet die eine Aufgabe. „Der Mietvertrag ist unterzeichnet, aber die Küche noch nicht geplant“ sagt die Stimme aus dem Tragbaren.
Sehr gern leiste ich diese Dienste. Sind sie doch der erste Schritt zur eigentlichen Bestimmung der kleinen Romanze zwischen Genuss und Gehirn!
Als Hausköchin gebe ich Tipps für den Alltag. Gestalte die Küche mit um und plane die nächsten großen und kleinen Feierlichkeiten. Kaufe ein und bin als Ratgeberin einfach da.
Katrine
Lihn – gern bin ich Ihre Ideengeberin
P.S: „Madame wünscht zu speisen? Bitteschön!“ diese und andere Geschichten zur Gastrosophie schreibe ich in diesem Jahr immer wieder…