Wohin sollen wir gehen? Mit Perlenkette und Granatapfel.

Genuss Salon 01.11.2015 keine Kommentare

Mucksmäuschen still ist es an der Tafel. Das hat es so noch nie gegeben. Gebannt, erstarrt und voller Hoffnungen lauschen die Gäste den Worten von Angelika Kaddik. Sie liest aus ihrem Buch „Wie aus Schmerzen Perlen werden.“

Heute bitte ich meine Gäste bei der Vorstellungsrunde „nur“ ihren Namen zu sagen und warum sie gradzu diesem Thema dabei sein möchten. Abschied! Heute am ersten November mit der Erinnerung an Schmerz, Verlust und Tod. Es ist berührend und befreiend zu gleich. Jede von uns, heute sind wir eine Frauenrunde und sitzen zu zehnt am Tisch, Jede von uns hat eine eigene Geschichte und möchte in der Gemeinschaft sprechen, vielleicht auch lernen, doch vor allem sich öffnen. Duftender Kaffee und heißer Kakao helfen den Seelen. Schön, dass Ihr Euch angemeldet habt.

gedeckter TischDer Tisch ist gedeckt. Wir sitzen und schweigen. Die Situation ist sehr besonders. Würdig! Einen kleinen Moment ist der Schmerz zu spüren, er scheint wohltuend. Dann beginnt Angelika. Sie liest mit leiser Stimme, die Worte schwingen kraftvoll an unsere Ohren. Meine Hände zittern leicht, ich bin sicher, die Tränen schwimmen in unserer aller Augen, doch wir lauschen gespannt. Jedes Wort trifft mitten ins Herz.

Pause! Angelika und ich haben mit den Gästen besprochen, dass wir in kleineren Abschnitten unsere Stunden gestalten: lesen, sprechen, essen, lesen, schweigen und auch lachen und uns an der Gemeinschaft freuen!

Es ist nicht leicht, die Worte zu finden, nun zittert auch noch meine Stimme. Der Weg bis in den Tod kann so schmerzhaft sein, dass die Erlösung sich Bahn bricht. Doch der plötzliche Verlust, nach einem Unfall oder Freitod, der reißt den Boden unter Füßen weg, der bringt den Strudel in Wallung und dann beginnt der freie Fall – ins Nichts!

Erwachsene Frauen schauen sich in die Augen, schauen weg, holen Luft. Mutig wird der Tod des Vaters in den Salon geholt. Wie damit umgehen? Hört es nie auf? Es ist so gut, auch wütend sein zu dürfen! Die Stimmung erwacht! Die ersten Lacher kommen uns wieder über die Lippen und doch, der Trost hat sich noch versteckt.

Wie aus Schmerzen Perlen werden – jede Seite dieses Buches spricht mir so vollkommen aus dem Herzen. Wie kann ich einem trauernden Menschen begegnen? Der schwerste Moment im Leben; dem Tod ins Angesicht zu schauen. Gibt es richtig oder falsch? Sinnvoll sind Fragen: wie geht es Dir? kann ich etwas für Dich tun?

Dagegen wirklich und wahrhaftig grauenhaft sind platte Aussagen: Das wird schon wieder. Kopf hoch! Am meisten hasse ich es, wenn Sätze wie achtlos hingeworfen werden: Die Zeit heilt alle Wunden und Du schaffst das schon!

Sätze dieser Art, vielfach gehört, machen mich immer noch, immer wieder wütend und mir wird davon tatsächlich übel! Der tabuisierte Tod lehrt Niemanden den Umgang mit dem Verlust. Platte Worte sind Zeichen von Hilflosigkeit und oft auch Scham. Wie können wir das ändern?

Ja, die Runde ist sich einig: Trauer ist unkalkulierbar, einzigartig und jeder Trauernde ist in seinem Moment der traurigste Mensch der Welt. Und das ist gut so! Respekt ist angesagt, aber auch Mut und Offenheit. Wegschauen und Floskeln verletzen, was wirklich hilft ist Wahrhaftigkeit!

ein gedeckter Tisch mit zwei Schüsseln LasagneDie Stunden des sonntäglichen Salons fliegen dahin. Wir sprechen viel. Allen tut das gut. Ich danke Euch für Eure Offenheit! Es fühlt sich gut an, ein Thema wie dieses in einer Runde zu besprechen, in der sich Alle fürchten und dennoch mutig nach vorne blicken.

Meine Angst der Finsternis ist leicht zu begegnen, dem Kinderlicht sei Dank. Und ich sage es hier noch einmal ganz deutlich; habt keine Angst vor dem Tod! Das Sterben mag schmerzlich sein, doch dann ist es still und friedlich.

Das Loslassen ist das große Los! Trauer um das was wa(h)r und niemals zurück kehren wird. Die Stunden der Gemeinsamkeit, der Kindheit, der Verliebtheit, die wundervollen Momente – vorbei: SCHWARZ!

Mir steht in den hilflosen Momenten Henry Scott-Holland zur Seite:

„Der Tod hat keine Bedeutung, ich bin nur nach nebenan gegangen. Ich bleibe, wer ich bin und auch Ihr bleibt dieselben. Was wir einander bedeuten, bleibt bestehen. Nennt mich bei meinem vertrauten Namen. Sprecht in der gewohnten Weise mit mir und ändert den Tonfall nicht. Hüllt Euch nicht in Mäntel aus Schweigen und Kummer. Lacht wie immer über die kleinen Scherze, die wir teilten. Wenn Ihr von mir sprecht, so tut es ohne Reue und ohne jegliche Traurigkeit. Leben bedeutet immer nur leben – es bleibt so bestehen, immer – ohne Unterbrechung. Ihr seht mich nicht, aber in Gedanken bin ich bei Euch. Ich warte eine Zeit lang auf Euch – irgendwo, ganz in der Nähe – nur ein paar Straßen weiter.“

 

01.11.15_Tod_Rosen

Die wundervollen Worte, Texte und Stimmungen, die Angelika an diesem Sonntag in meinen Salon brachte werde ich in meinem Herzen bewahren – wie einen Perlenschatz! Danke für diese Momente der Nähe und Wärme. Danke ebenfalls an meine Gäste – Ihr seid wundervoll und macht den Genuss Salon zu einem wichtigen Teil meines Lebens.

Die Trauer nimmt eine Spiralform an und verändert sich, mal dreht sie sich schneller, mal langsamer. Mal ist die greifbar und manchmal so stark – kaum auszuhalten.

Wer bin ich ohne den Anderen?

Katrine Lihn – Trost zu spenden ist ein Geschenk!

 

Wohin sollen wir gehen? Mit Perlenkette und Granatapfel.

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