Einen herrlichen Abend nur für mich. Dieses Silvester werde ich kochen, Musik hören und so herrlich mit mir und meinen Gedanken verbringen. Ja, dieser Plan scheint perfekt. Wie gut, dass ich so spontan bin, mich noch lieber verführen lasse und wer mit Genuss und Gespräch lockt bekommt sicher keinen Korb! Da kann selbst ich nicht widerstehen. Warum auch? Mein kleiner weißer Koffer ist rasch gepackt. Eine Freundin fährt mich zum Flughafen. Sie lacht „Du hast echt Nerven. Von jetzt auf gleich fliegst Du einfach los!“ Ja, so bin ich. Die Aussichten meinen lieben Freund Jacques, seine Familie und Freunde in Straßburg zu treffen sind zu verlockend. Wir wollten Silvester eigentlich in Potsdam feiern. Doch dann, so viele Aufträge, so viele Kundenwünsche, no pardon je regrette. Wer kann das besser verstehen als ich, die Arbeit geht vor und die Zahl der Wahlmöglichkeiten ist begrenzt, wenn das Geschäft auch an Silvester bis 14 Uhr geöffnet ist. Es passt prima, dass der TGW aus Stuttgart am Mittag in den Gare du Strasbourg rollt. Puh, das war nun doch eine etwas längere Anreise, egal: die Freude des Wiedersehens ist zu groß!
Am Abend sind Plätze für uns reserviert. Jacques hat sich entschieden im La Casserole den Abend zu verbringen. Mit an unserem Tisch sitzt Michael, er ist der Lebenspartner des Inhabers Cédric Kuster des  sterneverdächtigen Restaurants. Ihn habe ich bereits im vergangenen Winter im Crocodile als perfekten Restaurantchef erlebt, nun hat er seinen Traum vom eigenen Lokal wahr werden lassen! So wundervoll leuchtet und glitzert es von allen Tischen und aus allen Ecken. Ebenso leuchten und blitzen die Augen von Delfin, sie sitzt in einem Traum von rot-schwarzem Seidenkleid mit uns am Tisch und ist seit vielen Jahren eine gute Freundin von Cédrik und Michael. Wie schön sie kennen zu lernen. Nous parlons allemand et francais. Das ist wirklich eine großartige Herausforderung: mal sprechen wir deutsch, dann wieder französisch, dann spreche nur ich französisch und die Anderen antworten auf Deutsch. Welch Konversation.
La vie est belle! Zur Begrüßung gibt es einen prickelnden rosé Champagner und dann kommt die Karte auf den Tisch. Mon dieu! Ich bin ganz stumm, doch innerlich jubele ich: diese Speisen lesen sich wie ein Engelschor mit vielen Posaunen.
Das wird ein Fest für den Gaumen und die Seele. Das nenne ich mal ein reines Vergnügen! An den Nachbartischen wird getuschelt und gelacht. Doch wir haben den meisten Spaß. Bei uns wird so viel gelacht. Wir sind uns nach der erste Stunde einig: wir haben uns gefunden; ein Schicksalsabend mit großen Gesprächen zu exzellentem Genuss. Und was meinen Sie? Austern sind nicht jedermanns Sache, stimmt. Meine schon! Mir gefällt die Art der Darreichung sehr: die Austern liegen paarweise auf einem Teller, wer nebeneinander sitzt greift zu: Savoir vivre!
Zwischen den einzelnen Gängen haben wir ausreichend Zeit über die Speisen, das Leben und die Aussichten zu sprechen. Es ist überraschend, wie offen die „neuen“ Freunde sind. Unser Gespräch nimmt an Fahrt auf und wir sind mittendrin in der Philosophie des Lebens. Was erwarten wir von uns? Wie wichtig sind uns Freundschaft, Liebe und Miteinander? Die Worte schweben wie Schneeflöckchen über unseren Tisch. Wir sind völlig in unserem Element. Vier Menschen im Alter von ungefähr Mitte dreizig bis Mitte fünfzig, die sich kaum beziehungsweise gar nicht kennen und sofort spüren, dass sie sich verstehen, mögen und nicht zum letzten Mal zusammen einen Abend verbringen werden. Toll! Das ist grandios und mich bestärkt es so in meiner Salonidee. Denken, fühlen, genießen und sich Anderen zu öffnen, ohne sie wirklich zu kennen. JA! das ist genau mein Ding!
Wir sind so sehr in unsere Gespräche vertieft, dass wir fast vergessen, dass um Mitternacht ein neues Jahr eingeläutet wird. Wie gut, dass Michael seine Uhr stellte und die anderen Gäste plötzlich anfangen Prosit Neujahr zu sagen: Gläser klirren – Kristall liegt in der Luft! Bonne annee und bonne sante. Erheben wir die Gläser auf das Glück, die Gesundheit und mögen Wünsche sich erfüllen.
Die Gläser klingeln und von den anderen Tischen kommen Grüße herüber; Cédrik geht zu jedem einzelnen Gast. Wie schön, dass wir nicht nach Draußen müssen. Ich mag diese Böller nicht und es wäre zu schade, unsere Runde unterbrechen zu müssen. In dieser Nacht herrscht in ganz Frankreich ein Feuerwerksverbot, der Ausnahmezustand nach den Attentaten ist noch nicht aufgehoben. Die Welt verändert sich.
Unsere angebotenen Verlockungen und Verführungen nehmen kein Ende. Auf meiner Zungen lagen schon viele süße Köstlichkeiten, doch dieser pure Schokoladenhit ist mein absoluter Favorit. Dazu schmeckt mir ein heißer Espresso.
Die Nacht ist dunkel, doch die Sternlein funkeln. Auf in ein neues Jahr! Willkommen zu 365 neuen Tagen, willkommen zu Genuss und Sinnlichkeit. Glück – Liebe und Gesundheit sind die passenden Gewürze.
Auf in ein Jahr voller Pläne und Träume…