Das Leben und der Tod

Genuss Salon 05.11.2016 keine Kommentare

gedeckte Tafel im SalonDas Leben und der Tod. Können wir den Zweifel besiegen? Ist der Tod wirklich grausam, kommt er nicht auch als Freund und Erlöser daher? Ein kleines bisschen stolz macht es mich, dass ich zu diesem Thema nun bereits zum zweiten Mal meine ehemalige Nachbarin, Trostgeberin und großartige Wegbegleiterin Angelika Kaddik an die Tafel meines Salons laden kann. Sie liest aus ihrem Buch „Wie aus Schmerzen Perlen werden“ um offen und frei dem Abschied zu begegnen.  Die Trauerperle als Symbol der Gemeinschaft; wir trauern und zeigen das auch. Früher wurde im Trauerjahr schwarze Kleidung getragen, heute fällt das nicht auf. Schwarz ist längst mehr als gesellschaftsfähig, eher schon Kultfarbe und keine Trauerbekundung. Die Trauerperle ist ein Zeichen wie die Rote Schleife (the red ribbon) und die Regenbogenfahne als Zeichen der Gemeinschaft und Toleranz. Der Tod gehört zum Leben dazu, doch das möchten wir nicht wahr haben. Zu schmerzhaft und tragisch ist die Vorstellung vom letzten Atem des Lebens.

05.11.16_TodDer Schmerz schmeckt bitter! Die Tränen kullern! Doch auch hier, wie in vielen Lebenslagen gilt; geteiltes Leid ist halbes Leid. Die Ausgrenzung, das Negieren des letzten Hauches findet in meinem Leben nicht statt. Das Tabu „Tod“ wird gebrochen! Jetzt, hier und heute: Immer! Es gibt verschiedene Arten mit dem Weg in’s Jenseits umzugehen, bei vielen Menschen ist die Akzeptanz dafür gering. Fast so, als seien sie unsterblich. Warum ist das so? Fehlgeleitet von Angst oder um das Wirkliche nicht auszusprechen, decken wir das Mäntelchen des Nichtseins darüber. Der Tod ist die Verbindung zum schwarzen Loch, der Sensenmann als Gruselbild macht sich vor unserem geistigen Auge breit. Wer kümmert sich um die, die übrig bleiben und vor allem um die Kinder, wenn Eltern oder Geschwister sterben? Mitarbeiter in Hospitzen leisten große Dienste, doch im Alltag haben Verlust, Angst und Schmerz wenig Platz. Ich gebe im und Ihnen Raum.

Angelika liest mit leiser Stimme Sätze wie „ich dachte, ich werde verrückt, weil Alles so verrückt war…“ Sinnbildlich steht Nichts mehr an seinem Platz, Nichts ist mehr wie es war. Ein geliebter Mensch ist tot, hat uns verlassen. Andere Schicksale machen Ähnliches mit uns, es muss nicht immer gleich das Ende sein. Auch Verlassensein bedeutet Trauer, Verlust von Lebensmodellen und manch Anderes wirft Menschen aus der Bahn. Die Arbeit mit dem Verlust kennt keine Grenzen und vor allem keine Zeit. „Nach einem Jahr denke ich, nun ist es aber gut. DAS muss doch mal aufhören“ sagt leise mit Tränen in den Augen ein Gast.

Friedhof mit GräbernWer legt das fest? Wer sind denn die? Ach ja, die Gesellschaft, die Nachbarn, die Leute! Das gebetsmühlenartige Wiederholen der Geschichte der Toten macht es für die Ãœberlebenden leichter, wie ein Mantra werden die Zeremonie der Trauerfeier bis ins kleinste Detail geschildert oder die letzten Stunden am Bett der Sterbenden. Freunde, Familie und Bekannte können diese Art der Aufarbeitung nicht immer nachvollziehen und vor allem nicht über eine längere Wegstrecke. Das Hörbuch von Angelika Kaddik schenkt der verletzten Seele Ruhe, mit etwas Musik und ihrer sanften Stimme fühle ich mich wie ein Kind gewiegt im Arm. „Danke, liebe Angelika, dass du mir Dein Hörbuch schenktest. Typisch für Dich, diese Geste der Großzügigkeit.“

Der Abend in meinem Salon neigt sich mit Kerzenschein dem Ende zu. Die nährende Kartoffelsuppe mit Kartoffeln im Kochtopfdem quietschgrünen Kräuteröl zwischen den paddelnden Nordseekrabben, war für mich ein passender Seelntröster. Mit einem würdevollen Oxymoron als Nachfolger; mit einem Gemüseragout, hat der Schmerz keine Chance: von der Zunge zum Gehirn bahnt sich der Geschmack so weich, dass die Tränen wie von allein trocknen. Gut so!

Über das Trauern und die Kraft des Weiterlebens haben wir mehr als drei Stunden gesprochen, zugehört und auch gelacht. Es ist kein Widerspruch sich dem Leben hinzugeben und es anzunehmen, wenn wir auch sehr traurig über den Verlust sind und seine Schmerzen sich in uns einzugraben drohen. Jeder darf so sein, wie es für seine Gefühlsebene passt. Es gibt kein Richtig oder Falsch!

Vielen Dank an meine Gäste, für offene Worte, liebevolle Blicke und einen Abend voller Gefühl in dieser Gemeinschaft. Ganz besonders umarme, drücke und herze ich hier noch einmal Angelika. „Wie wohltuend Deine Stimme, wie mitfühlend Deine Worte und Deine Art. Schön, dass es Dich gibt!“

Katrine Lihn – wie aus Schmerzen Perlen werden…

Dieses Zitat von Joseph von Eichendorff schenke ich meinen Lesern zum Trost…

Trennung ist wohl Tod zu nennen, denn wer weiß, wohin wir gehen. Tod ist nur ein kurzes Trennen – auf ein baldiges Wiedersehen! 

Das Leben und der Tod

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