Die Welt als Wille und Vorstellung – so wie sich Arthur Schopenhauer dies 1819 dachte – scheint es wohl keine Option. Oder doch? Sowohl bei Schopenhauer als auch sonst geht es um Lebensanschauungen. Was hat einen ursprünglichen Sinn? Wozu leben wir? Schopenhauer schreibt über den Tod und sein Verhältnis zur Unzerstörbarkeit unseres Wesens an sich. „Und siehe da, plötzlich war es, wie wenn die Finsternis vor seinen Augen zerrisse, wie wenn die samtne Wand der Nacht sich klaffend teilte und eine unermesslich tiefe, eine ewige Fernsicht von Licht enthüllte.“
Das Werk – die trügerische Existenz
Es ist ziemlich leicht für sich selbst am Rad zu drehen! Der Mensch an sich sucht immer nach einem Schuldigen, bevor er sich mit sich selbst beschäftigt. Schade! Ein Leben ohne Versöhnung ist aus meinem Blickwinkel nicht möglich. Wer sich selbst nicht annimmt, der wird häufiger die Schattenseiten sehen als das Licht. Gehört das Leiden also zum Programm?
Theater ist im besten Wortsinne eine szenische Darstellung: das Werk – die trügerische Existenz. Was will der Meister uns sagen? Ist es der Drang, Erfahrungen und philosophische Ein- und Aussichten zu deuten und zu verdeutlichen? Meine Liebe für das Schauspiel, für die Bühne trifft genau diesen Punkt des Sichtbarmachens! Ich will sehen, erleben und spüren … ist eine Folge davon, der Wille etwas zu ändern? „Ändern Sie jetzt Ihre Lebensweise!“ steht auf der Rückseite der Volksbühnenkarten – schöne Idee.
Ändern wir jetzt unsere Lebensweise
Diese Art des Theaters, diese Inszenierungen habe ich in den vergangenen Wochen und Monaten zutiefst intensiv erleben dürfen. Der Faust, gespielt von dem von mir auf höchste verehrten Martin Wuttke, wurde in knapp sieben Stunden zu einer wirklichen Herausforderung. Der Streit um die Volksbühne ist ständig zugegen und macht es den Zuschauern nicht leicht, keine Partei zu ergreifen. Ist das der Weg? Wut als Kanal für ein Vermächtnis? Frank Castorf und das Ensemble der Volksbühne haben in verschiedensten Aufführungen und Arbeiten immer wieder gezeigt, was Theater kann und leistet.
Die Macht des Wortes, das Spiel mit den großen Momenten des Lebens. Und das seit mehr als zwanzig Jahren. Nun steht das Ende vor der Tür. Die Tage sind gezählt und auch mich macht diese Tatsache sehr traurig: Ändern wir jetzt die Lebensweise! Schauen wir uns um und schöpfen wir aus den Quellen der Philosophie und des Genusses. Gibt es Trost in der Orientierung des Neuen?
Am Rad gedreht
Hat Schopenhauer doch den richtigen Punkt getroffen mit seinem düsteren Tenor, dass der Mensch wie ein Galeerensklave dem Elend, dem Jammer und der Qual ausgesetzt sei? NEIN! Nicht meine Denke. Eher Zeit sich einzumischen! Die Volksbühne wird als Theater geschlossen. In diesem Kontext wird auch noch am Rad gedreht, denn wer bekommt eigentlich das legendäre Rad, das vor dem Haus auf der Wiese steht? Diese Symbol der Volksbühne, einst von Bert Neumann erschaffen. Wer wird am Ende aller Diskussionen gewinnen? Ich halte es hier mit Oscar Wilde: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“Â
Dieses Mal fürchte ich, wird das Ende jedoch viele gemischte Gefühle hervorrufen und Oscar Wilde’s These nicht obsiegen. Da hilft kein Schönreden und auch kein gutes Essen. Sorry, da bin auch ich mit den noch so köstlichsten, verführerischen Speisen und meiner Idee vom trostspendenden Vom-Löffel-gelutscht am Ende. Was einzig helfen könnte, ist das Wissen. Ha, wie so oft ist Information eine gute Quelle der Beruhigung. So können wir uns (sehr wahrscheinlich) am ersten Dezember im Berliner Ensemble treffen, um das Drama Les Miserables von Victor Hugo in einer Inszenierung Frank Castorfs zu erleben. Ein Trost, schwach; aber immerhin!
Roastbeef zur Zeitenwende
Ein weiterer Trost befindet sich hier oben auf dem Bild. Bestes Roastbeef vom Wasserbüffel. Meine Seele weint und so nähre ich meinen Körper mit besten Speisen. Und JA, ich ändere jetzt meine Lebensweise.  Zum Diskurs über das qualifizierte Verarschen, wie René Pollesch es nennt, brate ich genüsslich gutes Fleisch und lasse mir dabei über die Schultern* schauen. Gegen das Verarschen, für ein Leben mit der Kunst und der Kultur. Kochen und Essen sind meine Art Definition mit sich und der Umwelt zu entfliehen!
Roastbeef zur Zeitenwende ist meine Art mit diesen und anderen Ereignissen umzugehen. Die Welt dreht sich weiter und wir sind ein Teil des Ganzen. Es ist gut, sich einzumischen, Tatsachen zu benennen und sich Nichts gefallen zu lassen – soweit als möglich. Also, treffen wir uns uns zum Essen, plaudern ein wenig und trinken einen Schoppen kalten Weißwein … gemeinsam hoffen wir dann auf das GUTE, das Ende …
Katrine Lihn – um nicht am Rad zu drehen ändere ich meine Lebensweise …
* Freitag den 30. Juni 2017 lasse ich mir über die Schulter schauen – beim ZIBB Kochclub mit Patricia geht es um 18.30 Uhr los – RBB einschalten und reinschmecken  … ich freu mich schon 🙂
… ach und auf ein Wort mit Max Reinhardt:
„ICH GLAUBE AN DIE UNSTERBLICHKEIT DES THEATERS. ES IST DER SELIGSTE SCHLUPFWINKEL FÃœR DIEJENIGEN, DIE IHRE KINDHEIT HEIMLICH IN DIE TASCHE GESTECKT UND SICH DAMIT AUF UND DAVON GEMACHT HABEN, UM BIS AN IHR LEBENSENDE WEITERZUSPIELEN.“Â
Soso, die Lebensweise zu ändern, das ist wohl nicht so leicht zu machen, wie es sich hier anhört.
Welche Möglichkeiten schlagen Sie vor?
Ich bin gespannt und freue mich auf eine Antwort dazu.
Herzlichst, Jutta