Mauerfall

Genuss Botschaften 04.10.2023 2 Kommentare

In Niedersachsen unweit der Zonengrenzen wuchs ich auf, von einem Mauerfall war nie die Rede. Mich hat diese Situation als Kind und Jugendliche total überfordert. Beim Sonntagsspaziergang sah ich die Wachtürme, es gab den Todesstreifen. Warum? Wirkliche Antworten gab es nie. Ich bin bis heute immer noch fassungslos, dass in meinem Geburtsjahr die Mauer gebaut wurde. Das Versprechen von Walter Ulbricht: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten,“ – war ein echter Versprecher, keine Versicherung mit Zuversicht, sondern, um es auf den Punkt zu bringen: Eine widerliche Lüge! Die Mauer teilte das Land. In der DDR herrschte die Diktatur der Bauern- und Arbeiter-Partei, untermauert und unterdrückt mit der Ideologie des Marxismus-Leninismus. Das Herrschaftsmonopol der SED gaukelte seinen Bürgern vor, sie seien alle gleich. Aus den Erzählungen von Zeitzeugen geht jedoch hervor, dass das Leben je nach eigenen Befindlichkeiten gefährlich sein konnte.

 

 

Am neunten November Neunzehnhundertneunundachtzig

Mauerfall

Für viele „Ostler“ ist der Fall der Mauer ein Segen! Im November 1989 überstrahlt der Taumel der neuen Freiheit das ganze Land. Die Freude hüben und drüben riesengroß. Wir sind ein Volk! Wildfremde Menschen fallen sich um den Hals, die rosige Zukunft vor Augen. Die viel gepriesenen blühenden Landschaften – Autsch! 

In meiner moralischen Vorstellung – 1989 war ich achtundzwanzig Jahre jung, glaubte ich an das Gute. An eine Vereinigung, die sich stützt und Gemeinschaften hervorbringt. Ganz sicher, ist das in mancher Hinsicht auch gelungen, doch Brücken und Grenzen lassen sich in Sachform großartig einreißen, die inneren Werte, die Gegensätze, die sind nicht mal eben „abzureißen!“

 

Mauerfall

Gemeinsam

Wenn es denn so wahr und einfach sein könnte, sich die Hände zu reichen. Als Berlin zur Hauptstadt wird, scheint die Euphorie kein Ende zu nehmen, doch die Voraussetzungen für persönliche Wertschätzungen; vielleicht sogar Nächstenliebe?, Fehlanzeige!

Wer könnten wir sein!, wenn wir einander mehr Raum gäben. Der Konjunktiv macht die Distanz sichtbar! Und die Macht des neuen Einssein, klingt heute mancherorts wie eine Utopie. Schade!

Dennoch! Vieles hat sich zurecht geruckelt. Manches ist immer noch ein Flickenteppich. Woran liegt das? Von mir gibt es Erklärungsversuche aus meinem sehr intensiven Leben in Potsdam. Für mich ist und bleibt der Mauerfall ein Meilenstein der Geschichte. Es entspricht meiner Ãœberzeugung, dass es unmenschlich ist, Menschen in ihrer Freiheit einzuschränken. Gleichwohl halte ich es für eine Anmaßung, dass „der Westen“ glaubt(e), der Heilsbringer zu sein.

 

Unterschiede sind anzuerkennen

Der gemeinsame Weg in die Zukunft, schien vor über dreißig Jahren schwierig, doch machbar. Heute weiß ich, dass das leichter gesagt, als möglich ist. Letzte Woche empfahl ich zu diesem Thema das Buch „Der Osten eine westdeutsche Erfindung.“  Ganz klar stellt der Titel eine Provokation dar. Macht nichts! Die Entwicklungen der Lebensräume in den neuen Bundesländern lassen sich nicht „mal eben“ einbürgern.

Einige meiner Freunde und neuen Wegbegleiter machen es immer wieder deutlich: Heimat liegt verwurzelt auf der DNA, in den meisten Fällen wird dies immer sichtbarer. Die Unterschiede sind jedoch anzuerkennen! Wer in Hamburg aufwächst ist möglicherweise gänzlich anders sozialisiert als ein Unterfranke. Warum lässt sich das leichter annehmen? Im Grunde ist die Antwort simpel, wir sind Wesen, die widersprüchlich sind. Nicht in Schubladen zu packen. Ich fürchte, der Deutungskampf innerhalb der Bundesländer wird sich verstärken. Die Herausforderungen werden nicht weniger! Klima. Inflation und Krieg scheiden die Geister.

Lässt sich ein Kompass finden, um das Schiff „Deutschland“ in dieser Zeitenwende nicht untergehen zu lassen? Wie schaffen wir es, die Unterschiede einzugliedern, oder sie wenigstens anzuerkennen, um nicht immer (wieder) idiotische Schemata zu bedienen?

Nächste Woche gibt es dazu von mir Gedanken wie in einem Hintergrundgespräch. Einen sogenannten „DEEP TALK,“ wir brauchen einen gemeinsamen Raum. Sehr wahrscheinlich ist die Idee – ein Volk zu sein – eine Illusion. Das betrifft aus meiner tiefsten Ãœberzeugung alle Bundesländer, denn das Recht auf eigene Sitten und Bräuche ist unumstößlich. Gönnen wir uns die jeweiligen Mentalitäten, die Dialekte, die Köstlichkeiten und genießen wir die anderen Kulturlandschaften.

Es gilt die Grenzen in den Köpfen zu überwinden, wir müssen einander nicht lieben, etwas mehr Respekt und Anerkennung helfen nicht nur, für mich sind sie eine Selbstverständlichkeit. Möge die Zuversicht, die Würze unserer Suppe werden.

 

Deine Katrine – ein tägliches Sanssouci ist viel zu langweilig! 

 

 

 

 

Mauerfall

Und heute mehr als dreißig Jahre später, prallen Gemüter auf einander. Der Westen lenkt, der Osten denkt – naja, das ist ein bisschen zu schmalbrüstig!

 

 

 

Revolution und Wiedervereinigung

 

Mauerfall

2 thoughts on “Mauerfall

  • 13. Oktober 2023 at 23:45
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    Mögen Dich doch alle Menschen dieser deutschen Welt lesen und Deine Worte in ihr Herz aufnehmen. Es wäre großartig. Aber leider – leider ist die Welt nicht so und meine Wünsche kann man als Wunschträume ad absurdum führen. Aber Du mußt weiter so tolle Artikel schreiben – wunderbar!!

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    • 14. Oktober 2023 at 0:04
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      Ja von ganzem Herz Dank für diese wundervollen Zeilen. Und Wünsche sind etwas ganz großartiges,
      die werden auf gar keinen Fall ad absurdum geführt! Die Hoffnung bleibt … ich sende dir eine
      liebe Umarmung XoXo

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